Die Sache mit der Danksagung

Man sagt: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.
Und: Es braucht ein ganzes Team, um ein Buch herauszubringen.
Doch es gibt auch Alleinerziehende, die auf keinerlei Hilfe zurückgreifen können. Trotzdem wird aus dem Kind ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Es hat der Mutter/dem Vater nur unendlich viel Kraft gekostet, weswegen es meist ein Einzelkind bleibt.
So ungefähr würde ich auch die Veröffentlichung der Nicolae-Saga beschreiben, obwohl es ja immerhin 7 Bände geworden sind. Nein, nicht alle auf einen Streich. Nacheinander, versteht sich.
Für das Schreiben der 7 Bände habe ich 14 Jahre gebraucht. Für jeden Band im Schnitt 2 Jahre. Vollzeit.
Innerhalb eines Zeitraums von 11 Jahren - von 2010 bis 2020 - habe ich die Bände veröffentlicht.
2021 und 2022 habe ich die gesamte Romanreihe überarbeitet und neu herausgebracht.
Alles immer ganz allein.
Was also hätte ich in eine Danksagung schreiben sollen?
Warum mich Danksagungen traurig machen
Eigentlich vermeide ich es, Danksagungen anderer Autoren zu lesen. Vor allem wenn sie über mehrere Seiten lang sind. Aber dann tue ich es doch. Aus Interesse. Wer hat zu dem Buch alles mit beigetragen?
Meist komme ich aus dem Staunen kaum heraus. Doch dann macht es mich auch etwas traurig. Vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen neidisch. Denn so viel Beistand wie einige Autoren - sogar die ganz großen! - von allen Seiten bekommen, hätte ich mir für meine Nicolae-Saga auch gewünscht.
Manchmal kann ich gar nicht glauben, wer da alles mitgewirkt haben soll. Zwangsläufig kommt dann bei mir die Frage auf, welchen Anteil genau der Autor eigentlich noch an seinem Buch hat.
Selbst die Idee zum Buch muss nicht unbedingt von ihm allein stammen. Es soll ja Autoren geben - vorwiegend weibliche - die beim Kaffeeklatsch mit Freundinnen ein bisschen Brainstorming betreiben und schon ist DIE Romanidee geboren. Da haben dann schon mal gleich mehrere Leute allein zur Idee beigetragen.
Oft lese ich auch, dass mithilfe eines ganzen Teams aus einem groben Entwurf erst ein vorzeigbares Buch gemacht wurde.
Wow, denke ich dann, gehört denn nicht genau das zur eigentlichen Arbeit eines Schriftstellers? So ein grober Entwurf - von der Idee bis zur Skizze (Plotten nennt man das) -, ist ja bloß die Vorarbeit. Die richtige Arbeit folgt doch erst dann.
Gerade das Formulieren, Ausschmücken, Überarbeiten, Einköcheln, Korrekturlesen, Lektorieren, Feilen und Polieren macht doch den Löwenanteil am Entstehungsprozess eines Buches aus. Das frisst so unfassbar viel Zeit - nämlich nochmal so viel, wie man für das kreative Schreiben selbst benötigt hat.
Aber geschenkt! Auf solche Art der Arbeitsentlastung wäre ich gar nicht so scharf gewesen. Die Arbeit am Text und dessen Verfeinerung hat mir immer sehr viel Freude bereitet. Egal, wie viel Zeit ich darein investiert habe. Und es war seeehr viel, kann ich Ihnen versichern! Nicht weil so viel verbesserungswürdig gewesen wäre, sondern weil meine eigenen Ansprüche von Band zu Band gestiegen sind.
Auch die vielen Personen, die anderen Autoren bei der Recherche behilflich waren, machen mich nicht neidisch. Das ist zwar bestimmt sehr hilfreich, da es enorm viel Zeit spart. Aber selbst die aufwändige Recherche zur Nicolae-Saga gehörte mit zu meinen liebsten Aufgaben; hatte ich mich doch in eine andere Epoche und zwei unterschiedliche Kulturen einzuarbeiten. Dabei sind zwar Monate und Jahre draufgegangen, aber ich habe währenddessen unendlich viel gelernt. Nein, diese vollumfängliche Tätigkeit möchte ich keinesfalls missen.
wirklich wichtige Unterstützung
Worum ich solche Autoren beneide, ist also nicht die Abnahme verschiedener Tätigkeitsfelder - bis auf das leidige Marketing, das wäre ich sofort bereit gewesen, in fremde Hände zu legen -, sondern die mentale Unterstützung: Das Mutmachen, der Glaube an mich und mein Werk, und dann auch noch von einem ganzen Team, das etwas von Literatur versteht.
Es muss ein Traum sein, unter solchen Bedingungen zu schreiben! Da wächst man doch viel schneller über sich hinaus. Da tritt man bestimmt von vornherein mit viel mehr Selbstvertrauen auf.
Diese Rückenstärkung hat mir in den letzten 20 Jahren - seit Schreibbeginn im Jahr 2005 - immer gefehlt. Ich stand allein auf weiter Flur. Trotzdem habe ich durchgehalten und alles von Anfang bis Ende selbstständig durchgezogen.
Neulich las ich in der Danksagung einer britischen Autorin von einem Unterstützungsnetzwerk von Autorinnen. Auch von einer Autorin in New York, der ich auf Facebook folge, lese ich immer wieder von gegenseitiger Unterstützung und gemeinsamen Aktionen unter den schreibenden Kolleginnen. Das ist eine wertvolle Sache, die in England und in den USA gut zu funktionieren scheint.
In Deutschland gibt es so etwas in Ansätzen zwar auch, aber eher selten. Laut Aussagen vieler Autorinnen herrschen bei uns nur allzu oft Konkurrenzdenken statt Kollegenschaft, Missgunst statt Miteinander. Unfassbar, aber leider wahr. Jedenfalls bestätigt es meinen Eindruck, den ich in etlichen Online-Autorengruppen sammeln konnte.
Außerdem kommt es stark darauf an:
- in welchem Genre man schreibt: Liebesromanautorinnen scheinen einen recht guten Zusammenhalt zu haben. Und auch die Fantasy-Community ist riesig und unterstützt sich gegenseitig. Aber abseits dieser beiden Genres - vielleicht noch bei Krimi/Thriller - wird es eng.
- wo der Autor seinen Standort hat: von mehreren, sogar bekannten Autoren weiß ich, dass selbst sie es bei uns im Norden schwer hatten. Offenheit und Unterstützung - auch vonseiten der Literaturbranche - scheinen in südlicheren Gefilden besser zu funktionieren. Hier herrscht an den wichtigen Schaltstellen oft mächtig viel Dünkel.
- inwieweit Romanautoren ein Forum jenseits der virtuellen Welt geboten wird, denn nichts kann die persönliche Begegnung ersetzen. Die im Laufe der Jahre gemachten Kontakte zu anderen Autoren sind mir von unschätzbarem Wert. Doch sind es zu wenige, um als "Netzwerk" bezeichnet werden zu können.
Und somit bleibe ich im Dschungel der Buchbranche eine Einzelkämpferin wider Willen. Denn eigentlich bin ich ein Teamplayer. Ich liebe den Austausch, die gegenseitige Befruchtung, das gemeinsame "Etwas-auf-die-Beine-stellen".
Immerhin hatte ich hin und wieder das Glück, auf Gleichgesinnte zu treffen. Diese Kooperationen waren jedes Mal eine große Bereicherung und Freude, an die ich gerne zurückdenke.
Danksagung der etwas anderen Art
Dennoch - weil es sich so gehört - habe auch ich Danksagungen in die einzelnen Bände der Nicolae-Saga geschrieben:
- für meine Laptop-Tastaturen, weil sie so lange durchgehalten haben, obwohl jedes Mal das "e" und das "n" am Ende längst nicht mehr lesbar waren;
- für die Literaten des 19. Jahrhunderts, weil sie mir mit ihren Romanwelten so viel Hintergrundwissen bezüglich der Epoche geliefert haben;
- und natürlich für meine Familie, weil sie mich so oft geduldig in meiner Romanwelt hat verweilen lassen und in allem unterstützt hat. Hier sei besonders mein Sohn erwähnt, der sogar einen Soundtrack zur Nicolae-Saga geschrieben hat.
Das war's im Wesentlichen aber auch schon. Ich bin quasi mit einem 3-Zeiler ausgekommen.
Immerhin konnte ich noch meinen Grafiker namentlich erwähnen, der mir die Buchumschläge angefertigt hat. Für die Covermotive war ich jedoch selbst zuständig und habe wochenlang in Bilddatenbanken nach passenden Motiven gesucht.
Es ist also alles aus eigener Kraft entstanden: Inhalt, Buchsatz, Formatierung, Layout, Klappentext - einfach alles.
Darauf bin ich zwar stolz. Aber ich glaube, dass ich mit der nötigen mentalen Rückendeckung - mit einem Team im Hintergrund - wesentlich gestärkter mit meiner Nicolae-Saga hätte in Erscheinung treten können und mir damit auch das Marketing leichter gefallen wäre.
Insofern beneide ich jeden Autor (im positiven Sinne natürlich, denn ich gönne es jedem von Herzen!), der so vielfältige Unterstützung erfährt und möchte ihm oder ihr am liebsten zurufen: Weißt du eigentlich, wie gut du es hast?!
Mal ehrlich: Lesen Sie die Danksagungen in Büchern überhaupt? Was denken Sie, wenn sie die vielen Namen lesen?
Das interessiert mich wirklich. Lassen Sie es mich gerne wissen: Kontakt