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Kunst in der Nicolae-Saga Teil 3: Rumänische Maler des 19. Jahrhunderts

Kunst in der Nicolae-Saga Teil 3

Rumänische Maler des 19. Jahrhunderts

Kunst in der Nicolae-Saga Teil 3: Rumänische Maler des 19. Jahrhunderts
Nicolae Grigorescu: Die Hirtin - Quelle: Wikimedia Commons

Während in Frankreich die Impressionisten versuchen Fuß zu fassen und in England die Präraffaeliten schon früh den Weg für den Jugendstil ebnen, öffnen sich auch die rumänischen Maler der modernen Kunst. 

Da sich die Rumänen traditionell stark an Frankreich orientierten, verwundert es nicht, dass ihre Künstler mehrheitlich in Paris studierten und meist auch die Schule von Barbizon besuchten. 

 

Die rumänische Malerei ist daher von der Freiluftmalerei und vom Impressionismus stark beeinflusst. Und doch haben sie es geschafft, sich einen eigenen Stempel aufzudrücken. Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der sich die europäischen Nationalstaaten immer stärker herausbildeten, fanden auch die Rumänen nach Jahrhunderten der Unterdrückung durch das osmanische Reich zu einem eigenen Selbstbild und Nationalstolz. Das sieht man ihrer Malerei an.

 

Eines der bei fast allen rumänischen Malern vorherrschenden Motive ist das Landleben und der bäuerliche Alltag: blühende Felder, die Bäuerin, der Schafhirt, der Ochsenkarren oder der sonntägliche Rundtanz - die Hora -, die noch heute zu Festivitäten auf dem Lande dazugehört.

Nicolae Grigorescu

Nicolae Grigorescu (1838 - 1907) ist einer der bedeutendsten rumänischen Maler des 19. Jahrhunderts. Oft wird er als Nationalmaler tituliert. Er gilt als Begründer der modernen Malerei in Rumänien.

Nicolae Grigorescu (1838-1907)

Nicolae Grigorescu studierte an der École des Beaux-Arts in Paris und traf dort auf den Impressionisten Pierre-Auguste Renoir.

 

Bald darauf besuchte er die Künstlerkolonie in Barbizon und widmete sich der Freiluftmalerei. Dabei kam er zwangsläufig mit den Begründern der Impressionisten in Berührung, die seine späteren Werke beeinflussten.

 

Seine Hauptmotive sind ländliche Szenerien sowie das bäuerliche Alltagsleben. Ein immer wiederkehrendes Motiv ist der Ochsenkarren.

 

Während des Rumänischen Unabhängigkeitskrieges (Russisch-Türkischer Krieg 1877/78) wurde er zum Frontmaler berufen. Danach lebte er hauptsächlich in Frankreich. Erst 1890 kehrte er nach Rumänien zurück.

 

Seine Werke - vorwiegend Ölgemälde - wurden auf den Pariser Weltausstellungen 1867 und 1889 gezeigt.

Theodor Aman

Theodor Aman (1831-1891) gilt als Vorgänger des Impressionismus.

Theodor Aman (1831-1891)

Als Genre-Maler hatte er sich auf Porträts und historische Gemälde spezialisiert. Viele bedeutende Gemälde stammen von ihm.

 

Sein berühmtestes Werk "Die Schlacht von Alma" (Krimkrieg 1854) wurde auf der Pariser Weltausstellung 1855 im Palast der Schönen Künste ausgestellt.

 

Er studierte zunächst an den Kunstschulen des Landes, bevor auch er nach Paris ging. Später lebte er in Konstantinopel (Istanbul) und auf der Krim.

 

Als er in seine Heimat zurückkehrte, wurde ihm ein Stipendium für ein Studium in Paris gewährt. Auch er besuchte, wie Grigorescu, die Schule von Barbizon. In seinen späteren Werken ist der Einfluss der französischen Malerei deutlich erkennbar.

 

1863 gründete er in Bukarest die Nationale Kunsthochschule, die er bis zu seinem Tod leitete.

Stefan Luchian

Stefan Luchian (1868-1916) gilt neben Nicolae Grigorescu als einer der Begründer der modernen Malerei in Rumänien.

Stefan Luchian (1868-1916)

Ab 1885 besuchte er die Schule der Schönen Künste in Bukarest. Später studierte er in München und Paris.

Zurück in Bukarest nahmen seine Gemälde an mehrere Ausstellungen teil. Zusammen mit zwei weiteren Künstlern veranstaltete er auch eigene Ausstellungen.

 

1897 wurde er mit der Ausmalung zweier Kathedralen - in Alexandria und in Tulcea - beauftragt. Doch Ende 1898 erkrankte er schwer an einer Rückenmarksinfektion. Trotzdem konnte er diesen Arbeiten noch nachgehen.

Eine weitere Kirche, diesmal in Bukarest, malte er aus, bevor seine Erkrankung einen längeren Krankenhausaufenthalt nötig machte.

 

Bis 1914 wurden seine Werke auf internationalen Kunstausstellungen gezeigt, zwei seiner Werke auf der Pariser Weltausstellung 1900.

 

Im Hamburger Kunstverein wurde sein Gemälde "Crizanteme" (Chrysantheme) in die Dauerausstellung aufgenommen.

Stefan Luchians Leben wurde verfilmt.

Ion Andreescu

Ion Andreescu (1850-1882) gilt als einer der bekanntesten impressionistischen Maler Rumäniens.

Ion Andreescu: Selbstporträt (1882)
Ion Andreescu: Selbstporträt (1882)

Er besuchte die Nationale Kunsthochschule in Bukarest, die von Theodor Aman (Maler Nr. 2) gegründet wurde. Anschließend arbeitete er als Zeichenlehrer.

 

1878 ging er für weitere Studien nach Paris, wo er sich an einer angesehenen privaten Kunstakademie in der Galerie Montmartre weiterbildete. Auch er besuchte die Schule von Barbizon und traf dort auf sein großes Vorbild Nicolae Grigorescu (Maler Nr. 1).

 

Mit 31 Jahren erkrankte er an Tuberkulose und kehrte nach Bukarest zurück, wo er ein Jahr darauf verstarb.

 

Seine Werke wurden zusammen mit den Impressionisten Edouard Manet, Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir ausgestellt.

 

Wie so viele Künstler seiner Zeit erfuhr er zu Lebzeiten kaum Anerkennung und lebte in steter Armut. Immer wieder musste er sich als Zeichenlehrer über Wasser halten.

Octav Bancila

Octav Bancila (1872-1944) gilt als Maler des Realismus, der seine Hauptschaffenszeit um die Jahrhundertwende hatte.

Octav Bancila (1872-1944)

Als Waise wurde er von seiner älteren Schwester, einer feministischen Journalistin, und deren Mann, einem Sozialisten, aufgezogen und wurde unter deren Einfluss zu einem politischen Aktivisten.

 

Er besuchte die Schule der Schönen Künste in Iasi (Moldova).

In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts lebte und studierte er in Italien, Frankreich und Deutschland.
Zurück in Iasi eröffnete er am Stadtrand ein Atelier.

 

Seine Hauptthemen waren das Leben der Bauern und Fabrikarbeiter, der verarmten jüdischen Händler und Künstler, der einberufenen Soldaten und der durchs Land ziehenden Roma.

 

Später dokumentierte er mit seinen Gemälden die Gräuel der Revolutionsjahre und des Ersten Weltkrieges. Er blieb stets ein Kritiker der sozialen und politischen Entwicklung Rumäniens.

Kunst in Band 2 der Nicolae-Saga

Ankunft in der Walachei 1869

 

In einem etwas größeren Dorf legten sie eine weitere Pause ein. Heinrich führte sie für ein Mittagessen in eine Schankwirtschaft und versorgte anschließend die Pferde.

 

Als sie sich später ein wenig die Beine vertraten, erblickten sie in einer Scheune einen Maler, dessen ländliche Motive von lichter Leichtigkeit durchdrungen waren. Mit bewegter Miene stand Nicolae vor den ausgestellten Werken. Judith konnte erkennen, wie sehr er sich an die Malerei seiner Mutter erinnert fühlte.

 

»Ich habe Mummys Bilder alle verkaufen müssen, und trotzdem hat es nicht gereicht«, sprach er unvermittelt, ohne seinen Blick von den Leinwänden zu nehmen. »Wann immer sie mich am Nachmittag am Strand oder im Wäldchen glaubte, bin ich in Wirklichkeit zu den Witherspoons gelaufen, um dort für etwas Milch oder ab und zu ein Stückchen Speck auf den Feldern zu arbeiten. Ich hab’s nicht übers Herz gebracht, ihr zu sagen, wie wenig mir Mr. Dexter für ihre Kunst geboten hat. Sogar für das Bild mit der Herzmuschel wollte er mir kaum etwas geben. Es war mein Lieblingsbild. Ihr Letztes. Es hat wehgetan, es wegzugeben.«

Sein Blick verschloss sich. Dann verließ er die Scheune und kehrte forschen Schrittes zur Kutsche zurück.

 

Judith stand bestürzt. Sein mit äußerer Ruhe und Stärke übertünchtes Leid brach ihr das Herz.

 

Auszug aus Band 2 der Nicolae-Saga "Hinter den Pforten"

 

Gemäldeausstellung in Hermannstadt/Sibiu 1870

 

Nicht nur die gehobene Hermannstädter Gesellschaft war zugegen, auch die einfachen Bürger dieser Stadt strömten an diesem heißen Sonntagnachmittag in die Gemäldeausstellung, die mit Leihgaben aus Privatsammlungen ein mehr oder weniger kunstverständiges Publikum anlockte.

 

Professor Wilson war im Vestibül noch in ein Gespräch mit einem ortsansässigen Kollegen verwickelt, als Judith sich auf die Suche nach ihrem vorausgegangenen Neffen machte. Mühselig bahnte sie sich den Weg durch die Menschenmenge.

 

Der ungewöhnliche Zulauf wunderte sie, zumal nur wenige Besucher interessiert vor den Gemälden stehen blieben. Die meisten strebten dem Saal zu, der den Mittelpunkt der gestern eröffneten Kunstausstellung bildete. Daher vermutete sie dort einige dieser modernen Werke französischer Maler, die mit ihren anstößigen Sujets in letzter Zeit für Furore sorgten und es damit in alle einschlägigen Journale gebracht hatten.

 

Man hatte sich neuerdings darauf verlegt, intime Details der Pariserinnen beim Ankleiden oder wöchentlichen Bade darzustellen. Die hiesigen Maler hatten diese unschicklichen Motive kurzerhand in ihr bäuerliches Umfeld verlegt, wie sie in den ersten beiden Ausstellungsräumen feststellen musste. Der Betrachter kam nun in den zweifelhaften Genuss einer am Flusse badenden Bäuerin oder durfte gar seine Augen auf einem Liebespaar verweilen lassen, das bei der Heuernte im Schatten eines Ochsenkarrens zueinandergefunden hatte.

 

In diesem neuartigen diffusen Stil gemalt, durfte jeder selbst entscheiden, wie viele Pikanterien er zu erkennen vermochte und inwieweit sein Auge beleidigt wurde. Aber selbst den freizügigsten Gemälden wurde kaum Beachtung geschenkt. Die Franzosen schienen also noch weitergegangen zu sein!

 

Ein wenig enttäuschte sie Professor Wilsons diesbezügliches Interesse. Sie war seiner Einladung in die Kunstausstellung blind gefolgt, in der Annahme, dass es sich, seinem Metier entsprechend, überwiegend um Gemälde historischen Wertes handeln würde.

 

»Es tut mir leid, meine Herrschaften«, hörte sie den Saalwärter verkünden, »wegen des zu hohen Andranges ist dieser Saal vorübergehend gesperrt! Ich bitte Sie um einen Augenblick Geduld!«

Ein enttäuschtes Murren ging durch die Menge. Sie hatte den Hauptanziehungspunkt offenbar erreicht.

»Hat doch keinen Zweck, wenn sich einem nur Rückenansichten bieten«, erhob ein älterer Herr beschwichtigend das Wort, woraufhin ihm etliche Köpfe zustimmend zunickten, während andere über seine Zweideutigkeit amüsiert das Gesicht verzogen.

»Ein bisschen zügiger dürfte es aber dennoch gehen«, befand eine vornehm aussehende Dame und fächelte sich demonstrativ Luft zu. »Schließlich soll es Unglück bringen, zu lange hinzusehen!«

Hierauf erntete sie sowohl aufgeschreckte Zustimmung als auch spöttische Kommentare.

»Pah, alles nur Aberglaube, ist einfach nicht auszurotten hierzulande!«, ertönte eine ungehobelte Stimme von weiter hinten.

»Das wissen wir erst hinterher«, konterte ein seriös wirkender Herr neben Judith.

 

Bevor sie sich über all diese Bemerkungen verwundern konnte, wurde der nächste Schwung Besucher eingelassen, sodass es wieder ein paar Schritte vorwärtsging. Judith kam unmittelbar vor dem Eingang zu stehen.

Als sich die Saaltüren das nächste Mal öffneten, schob sie sich als eine der Ersten in den Raum. Dort endlich entdeckte sie Nicolae, der reglos vor einem alten Porträtgemälde stand. Es beruhigte sie, dass der Saal keineswegs die von ihr befürchteten Malereien enthielt, sondern lediglich einige alte Schinken: das übliche Schlachtengetümmel, ruhmreiche Sieger auf ihren Rössern und düster dreinblickende Kriegsherren in schwerer Montur.

 

Judith versuchte gerade, sich bei Nicolae bemerkbar zu machen, als sie von dem Saaldiener angesprochen wurde.

»Ich bitte um Entschuldigung, gnädige Frau! Ist das Ihr Sohn, der dort schon so lange vor dem Gemälde steht?«

»Er ist mein Neffe. Ich war bereits auf der Suche nach ihm«, gab sie entschuldigend zur Antwort. »Es tut mir leid, falls er die anderen Besucher in ihrer freien Sicht behindert haben sollte.«

»Das hat er keineswegs, gute Frau, er ist ja nur eine halbe Portion, über die man bequem hinwegsehen kann. Dennoch sollte er nicht zu lange auf das Porträt dort starren. – Man sagt«, fügte er hinter vorgehaltener Hand hinzu, »es brächte Unglück, in seine Augen zu schauen. Der böse Blick, verstehen Sie?«

 

Judith wusste nicht, wie sie auf das Vernommene reagieren sollte. Sie dankte und bahnte sich ihren Weg zu Nicolae, der inzwischen von den nachströmenden Besuchern umzingelt worden war. Ein teils erbostes, teils erschrockenes Raunen füllte den Raum. Neugierig, was die allgemeine Erregung verursacht haben mochte und ihren Neffen so sehr in seinen Bann schlug, drängelte sie sich durch die Menge. »Nicolae!«, rief sie ihm zu, als sie ihn drei Reihen vor sich ausmachte. Doch er reagierte nicht. Zwei weitere Male musste sie ihm zurufen und erntete bereits tadelnde Blicke, bevor es ihr endlich gelang, sich zu ihm durchzuzwängen.

 

Plötzlich, wie auf ein geheimes Zeichen, löste sich das Gedränge auf und die Besucher verließen eilig, fast flüchtend, auf der anderen Seite den Saal. Nicolae hingegen stand wie festgewachsen.

Bevor der Wärter den nächsten Besucherstrom einließ, packte Judith ihn bei den Schultern und drehte ihn zu sich um. »Nicolae, wieso hörst du nicht? Komm, wir müssen den Saal freigeben!« Erst jetzt gewahrte sie seine Pupillen, die zu Stecknadelkopfgröße geschrumpft waren. Sein Blick war nach innen gerichtet. Wie eine leblose Puppe ließ er sich von ihr an seiner eiskalten Hand aus dem Raum ziehen.

 

 Auszug aus Band 2 der Nicolae-Saga "Hinter den Pforten"


Lesen Sie auch:

Kunst in der Nicolae-Saga Teil 1: Die französischen Impressionisten

Kunst in der Nicolae-Saga Teil 2: Die englischen Präraffaeliten

 

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