Kunst in der Nicolae-Saga Teil 1
Die französischen Impressionisten
Ebenso wie die Musik in der Nicolae-Saga so spielt auch die bildende Kunst darin eine große Rolle. Schon Nicolaes Mutter Rebecca (Band 1) widmet sich in jungen Jahren der Malerei und hält die idyllischen Flecken ihrer südenglischen Heimat mit Farben fest. Sowohl im Cottage-Garten als auch entlang der Küste entdeckt sie immer wieder neue Motive. So manches ihrer Bilder findet unter den Sommerfrischlern des Küstenortes seinen Liebhaber.
Und so übt sich auch der kleine Nicolae schon früh mit Pastellkreiden und malt, was ihm vors Auge gerät. Von seinem Paten "Onkel Bob" - einem Kunstliebhaber - erhält er dafür viel Anerkennung. Wohingegen sein Vater das "Geklecksel" als unnützen Zeitvertreib ansieht.
Dennoch: Die Saat ist gesät. In späteren Jahren wird Nicolae seine Leidenschaft für Malerei entdecken, selbst zu Pinsel und Palette greifen und schließlich in entsprechenden Kreisen verkehren. Während seiner Hochzeitsreise auf dem Kontinent wird er sogar Claude Monet einen Besuch in dessen später berühmt gewordenen Garten in Giverny abstatten (Band 7).
Edouard Manet
Als Robert Emerson (Onkel Bob) 1866 von der neuen Malweise der Franzosen schwärmt, ist der Begriff "Impressionismus" noch nicht geprägt. Es sind erst die zaghaften Anfänge, die in der Welt der Kunst bereits für Aufruhr und Empörung sorgen - der neuartigen Farbgebung und Pinselführung wegen, aber auch der als anzüglich empfundenen Sujets.
Wie z.B. die beiden 1863 entstandenen Gemälde Edouard Manets: "Frühstück im Freien" (Bild 1) und "Olympia" (Bild 2).
Manet wird darum gerne als "Vater des Impressionismus" bezeichnet, obwohl sich dieser erst in den folgenden Jahren herausbilden wird, wie man an Bild 3 und 4 deutlich erkennen kann.
Textauszug aus Band 1 der Nicolae-Saga "Zwischen den Welten" (1866):
Robert erging sich sogleich in Schwärmereien über den neuen Malstil der Franzosen. Vor allem über einen gewissen Edouard Manet ließ er sich aus, dessen Motive bereits für manchen Skandal in der Kunstwelt gesorgt hätten.
Als Nicholas (später Nicolae genannt)nachfragte, was dieser denn male, erging sich Robert in vieldeutigen Umschreibungen, die ein ungehaltenes Räuspern des Vikars und einen strafenden Blick Peters (Nicholas' Vater)nach sich zogen. Nicholas schaute ratlos, als er etwas von „Körperlandschaften“ vernahm. Rebecca hingegen konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Nachdem Robert einem weiteren Gläschen Port zugesprochen hatte, war er jedoch kaum zu bremsen.
»O là là, quel filou, dieser Edouard!« Seine Augen blitzten vor Vergnügen, als er versprach, Nicholas später mit auf Reisen zu nehmen, um ihm Manets "Olympia" im Pariser "Salon des Refusés" vorzustellen – falls diese bis dahin nicht einen Liebhaber gefunden hätte.
Rebecca musste sich auf die Zunge beißen, um ein Kichern zu unterdrücken. Nur gut, dass weder Peter noch ihr Vater wussten, um was für ein Frauenzimmer es sich hierbei handelte.
Mehr zu den beiden Skandalwerken Manets finden Sie in meiner Schatzkiste
> 19. Jahrhundert > Die Anfänge des Impressionismus
Claude Monet
Von dem 1866 entstandenen Gemälde "Camille im grünen Kleid" bis zu Claude Monets berühmten Seerosenbildern, die um die Jahrhundertwende entstanden und mit denen er endlich Erfolg hatte, ist es ein langer und entbehrungsreicher Weg.
Nicolae wird bereits in jungen Jahren in Paris "Camille im grünen Kleid" (Bild 1) mit eigenen Augen bestaunen können. Allerdings findet er nicht dieselbe Geduld wie seine Mutter und Onkel Bob, die sich "stundenlang" über den gelungenen Faltenwurf auslassen.
Das 1872 entstandene Gemälde "Impression, Soleil levant" (Bild 2) ist das titelgebende Werk für die Gruppe französischer Maler um Monet, Manet, Renoir, Degas, Morisot und Pissarro, die sich der neuen Malerei widmen. Es sind flüchtige Momente, die sie auf Leinwand bannen, durchflutet von Licht und Schatten. Statt im Atelier zu arbeiten, gehen sie hinaus in die Natur, um die Atmosphäre einzufangen, oder in die Pariser Straßen und Cafés, um Alltagsszenen festzuhalten. Dies stößt auf radikale Ablehnung der etablierten Kunstszene. Und auch der Publikumsgeschmack muss sich erst daran gewöhnen.
Das Gemälde von der "Frau mit Sonnenschirm" (Bild 3) entsteht 1875 und zeigt Monets Frau Camille mit Söhnchen Jean. Für mich aber sind es Rebecca mit ihrem Sohn Nicholas. Kein Gemälde hätte meine beiden Protagonisten aus Band 1 besser abbilden können. Aus diesem Grunde hatte ich es damals als Deckblatt für mein erstes Manuskript ausgewählt. Noch immer ist dieses impressionistische Gemälde für mich der Inbegriff von Band 1: Zwischen den Welten.
Berühmt geworden ist Claude Monet mit diesen Gemälden jedoch nicht. Erst mit seinen Seerosenbildern (Bild 4) sollte der Erfolg zu ihm kommen. Noch 1894, im Alter von 55 Jahren, klagt er über sein Los als verkannter Künstler, als Nicolae ihn zusammen mit seiner frisch angetrauten Gattin und einem Künstlerfreund in Giverny besucht.
Textauszug aus Band 7 der Nicolae-Saga "An der Quelle" (1894):
In Giverny erwartete uns Frédérics großes Vorbild Claude Monet, dessen Haus und pittoresker Garten zum Träumen und Malen einlud. Hier herrschte ein Feuerwerk an Blütenpracht, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Kaum dass das Auge wusste, wohin es zuerst schauen und was es als nächstes bewundern sollte. Stauden wuchsen üppig und wild in jeder noch so kleinen Ecke. Über Rundbögen und Spaliere rankten Rosen, deren weiße und rosa Blüten einen wundervollen Kontrast zu den grünen Fensterläden des Wohnhauses schufen, vor dem sie standen. Ihr betörender Duft drang durch die weit geöffneten Fenster in jeden Raum.
Stolz zeigte uns der Meister einen jüngst angelegten Teil des Gartens, in dem eine nach japanischem Vorbild gebaute Brücke über einen Teich mit Seerosen führte, die wenige Tage zuvor zum ersten Mal ihre Blüten geöffnet hatten.
Frédéric fiel von einem Entzücken ins nächste, erst recht als Monsieur Monet uns in seinem vollgestopften Atelier seine neuesten Werke zeigte. Es waren Serien von ein und denselben Motiven, in denen er das wechselnde Spiel von Licht und Schatten im Laufe eines Tages oder sogar eines ganzen Jahres eingefangen hatte. Eine Reihe von Pappeln entlang der Epte wiesen in sage und schreibe dreiundzwanzig Bildern völlig unterschiedliche Farben auf. Leider stünden die Pappeln nicht mehr, merkte Monsieur Monet bekümmert an, sie seien zwischenzeitlich, trotz seines ausdrücklichen Protestes, abgeholzt worden. Seit zwei Jahren arbeite er nun vermehrt an einer Bilderserie, welche die Westfassade der Kathedrale von Rouen zeige. Er sei gerade dabei, sie im Atelier zu überarbeiten.
Frédéric war taumelig vor Glück, er hätte sonst was darum gegeben, Monet als Lehrmeister zu gewinnen, doch dies wies dieser kategorisch ab. Er wolle kein Vorbild sein, jeder Künstler müsse
seine eigene Kunst entdecken. Darum sei es falsch zu lehren oder sich an anderen zu orientieren.
Ob das der Grund sei, weswegen er sich schon vor Jahren von der Gruppe der Impressionisten abgewandt habe, deren Namensgeber er durch sein 1872 entstandenes Gemälde Sonnenaufgang immerhin sei, wollte Frédéric wissen.
Das und ein anderer, war die einsilbige Antwort. Er habe gern seine Ruhe.
Mit einem bestätigenden Nicken servierte uns Madame Hoschedé Holunderblütentee mit Madeleines.
Wir genossen den Imbiss im lauschigen Schatten des luftigen Paradieses in vollen Zügen.
Ihren Mann plagten Geldsorgen – und Bitterkeit wegen seiner wenig beachteten Kunst, verriet sie uns, nachdem der Meister sich wieder in sein Atelier zurückgezogen hatte.
„Tja“, gab Nicolae ihr daraufhin zur Antwort, „wahre Kunst war schon immer brotlos. Aber seien Sie ohne Sorge, Madame, für seine Serie der Kathedrale von Rouen wüsste ich schon einen Interessenten.“
Zuversichtlich zwinkerte er ihr zu.
Eines ahnte ich damals schon, nämlich, dass Nicolae Rohdiamanten erkennt, bevor sie glänzen – oder vielmehr zum Glänzen gebracht werden. Zu Letzterem trug er nicht selten bei. Und so
begriff ich, dass alles von den Fäden abhängt, die hinter den Kulissen gesponnen und gezogen werden. Auch Frédéric verhalf er später auf diese Weise zu einem nicht
unbedeutenden Ruhm.
Pierre-Auguste Renoir
Pierre-Auguste Renoir war sowohl mit Manet als auch mit der Familie Monet befreundet und so dienten ihm Camille und Jean ebenfalls häufiger als Motiv.
Vor allem das Pariser Straßenleben hat er lebhaft eingefangen (Bild 1). Aber auch das Freizeitverhalten der Pariser Arbeiterschicht sowie der Mittelklasse (Bild 2) stellte er malerisch dar. Insofern geben seine Gemälde Auskunft über das gesellschaftliche Leben jener Epoche und dienten mir zum Teil als Romanrecherche.
Das häusliche Leben in den Familien (Bild 3 und 4) hat er ebenfalls verewigt, sodass wir einen kleinen Einblick in die damalige Welt der Kinder aus bürgerlichem Hause bekommen. Auch den Wandel der damaligen Mode kann man an seinen Werken gut ablesen.
Mehr zu den Themen "Kindheit" und "Mode" des 19. Jahrhunderts finden Sie in meiner Schatzkiste
> Das 19. Jahrhundert, illustriert mit Gemälden von Piere-Auguste Renoir.
Edgar Degas
Edgar Degas hat sich vor allem durch Malerei von Ballettszenen hervorgetan. In mehr als 200 Werken hat er Tänzerinnen in der Bewegung verewigt - auf der Bühne, aber auch bei den Proben im Tanzsaal. (Bild 1 und 2)
Zudem hat er das Pariser Nachtleben malerisch eingefangen. Für seine Porträts haben ihm zumeist Freunde oder Familienmitglieder Modell gestanden. Er zeigt sie bei ihrer bürgerlichen Freizeitgestaltung in Oper, Theater oder Konzert.
Später porträtierte er auch Frauen aus den unteren Klassen wie Wäscherinnen, Büglerinnen (Bild 3) oder Prostituierte.
Seine Pastelle weiblicher Akte bei der Körperpflege (Bild 4) kann man dem Realismus zuordnen, der die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dominiert.
Gemälde wie diese haben mir oft wertvolle Einblicke in das Alltagsleben des 19. Jahrhunderts gegeben. Denn Schriftsteller aus jener Epoche haben eher selten die Morgentoilette bis ins letzte Detail beschrieben. Wozu auch? Es galt ihnen ja als nichts Besonderes. Doch für uns ist es kaum mehr vorstellbar, wie mühselig die Körperpflege damals war. Vom Anfeuern des Kessels für warmes Wasser, das nicht wie selbstverständlich aus dem Hahn kam, bis zum Anlegen von unfassbar vielen Wäschestücken - inklusive des Korsetts für die weibliche Bevölkerung.
Henri de Toulouse-Lautrec
Henri de Toulouse-Lautrec stellt bereits den Übergang vom Impressionismus (Bild 1) zum Post-Impressionismus dar.
Bekannt geworden ist der Maler und Grafiker aber eher für seine grell-bunten Plakate, die in Paris Ende des 19. Jhs. die Programme für Varietés und Cabarets auf Montmartre ankündigen (Bild 2 bis 4). Das wohl bekannteste zeigt den Sänger, Schriftsteller und Nachtclubbesitzer Aristide Bruant (Bild 3).
Auch Nicolae treibt sich mit seiner "Künstlerbande" in der Pariser Halbwelt herum und wird dessen Bekanntschaft machen.
Textauszug aus Band 7 der Nicolae-Saga "An der Quelle" (1894):
Fast alle Freunde, die sich im Landhaus der Janviers regelmäßig einfanden, stammten aus dem Künstlermilieu. Es waren nicht nur Maler, unter denen sich Nicolae und Ramon bewegten, auch Schriftsteller, Sänger und einige Schauspieler waren darunter, sogar berühmte, deren Namen mir jedoch entfallen sind.
Nur an einen kann ich mich erinnern, weil sein Portrait auf grellen Plakaten vor den Theatern auf Montmartre prangte: Aristide Bruant. Er mag ungefähr zehn Jahre älter gewesen sein als Nicolae. Mit Vorliebe trällerte er Gassenhauer und derbe Lieder, welche die gesamte Künstlerbande zum Mitgrölen animierte.
Ich war froh, dass uns außer den Vögeln niemand hören konnte. Wie gesagt, ist mein Französisch dürftig, aber die Frivolität der Strophen entging mir keineswegs. Lachend hielt Nicolae mir zuweilen die Ohren zu. „Bedenkt, dass wir eine englische Lady in unserer Mitte haben“, rief er ihnen zu und küsste mich vor aller Augen herzhaft auf den Mund. Es amüsierte ihn, dass ich errötete. Ich hätte ihn dafür schlagen mögen.
Nicolaes 21-jährige Schwester Natalia gewährt uns Einblicke in das Paris damaliger Tage, wie wir einem ihrer Briefe an ihre beste Freundin entnehmen können. Hier ein Auszug:
Aus Band 6 der Nicolae-Saga "Aus dem Schatten" (Mai 1889):
Liebe Zoe,
zusammen mit Tante Judith und Onkel Bill sind Dorin und ich nach Paris gereist. Nicolae wollte uns nicht begleiten, er sei beschäftigt, sagte er – womit auch immer.
Er ist schon beeindruckend, dieser dreihundert Meter hohe Stahlturm, unter dem jeden Abend ein Feuer lodert, sodass er weithin leuchtet. „Zu Ehren der französischen Industrie“ steht er dort und als Wahrzeichen der Weltausstellung. Und da Paris zugleich das hundertjährige Jubiläum der französischen Revolution feiert, kannst Du Dir sicher vorstellen, was hier los ist.
Ansonsten hängt Paris voller Plakate, auf denen in den grellsten Farben das Nachtleben auf Montmartre angepriesen wird. Dort öffnet zurzeit ein Tanzlokal und Cabaret nach dem anderen. Die
Tänzer und Schauspieler, vorwiegend weiblichen Geschlechts, gehören ganz offensichtlich einem halbseidenen Milieu an, das hierzulande jedoch keinen Anstoß erregt. Denn auch die Herrschaften der
oberen Klassen gehen auf Montmartre ihren Vergnügungen nach, wie Jean-Pierre zu berichten wusste. Wir wissen inzwischen ja, was darunter zu verstehen ist, nicht wahr, Zoe?
Wieso ist das, was in London als lasterhaft und verpönt gilt, in Paris chic und mondän? Wieso muss sich ein Gentleman abseits der Kulturstätten möglichst ungesehen durch Londons Vergnügungsviertel schleichen, während die Pariser Herren ganz ungeniert mit ihren Halbweltdamen in der offenen Kutsche vorfahren oder gar mit diesen in einem Nachtlokal sitzen?
Das Gewöhnliche ist hier nicht einmal der Mühe wert, kaschiert zu werden. Im Gegenteil, es wird laut und großflächig plakatiert!
Aber ist die französische Gesellschaft deshalb unanständiger als die englische? Oder geht sie nur ehrlicher mit ihrem anrüchigen Gewerbe um? Und heißt das im Umkehrschluss, dass sich
Anständigkeit und Ehrlichkeit ausschließen? Was ist wichtiger? ...
Das sind so die Fragen, die sich die junge Frau stellt, deren eigentliche Heimat Rumänien ist, die aber zeitweise in London lebt. Es ist viel im Umbruch in den 80ern und 90ern des 19. Jahrhunderts. Nicht nur der gesellschaftliche Wandel, auch der Fortschritt nimmt immer rasantere Züge an. Die Welt verändert ihr Gesicht. Kurz vor der Jahrhundertwende geraten auch meine Protagonisten in einen Strudel aus Aufbruchstimmung und Zukunftsangst. Kommt uns das nicht bekannt vor?
In den Gemälden der damaligen Künstler manifestiert sich viel vom Lebensgefühlt jener Epoche und macht sie für uns spürbar. Insofern sind sie ein wichtiges Zeitzeugnis und hervorragendes Recherchematerial für historische Romane.
> Mehr aus der Welt der Kunst und den in der Nicolae-Saga erwähnten Vertretern des Impressionismus finden Sie auf der Seite > Historische Persönlichkeiten der Nicolae-Saga
>Kunst in der Nicolae-Saga Teil 2 folgt in Kürze. Darin geht es um die englische Malergruppe der Präraffaeliten, deren wichtigster Vertreter Dante Gabriel Rossetti ist sowie dessen Künstlerfreunde William Morris, Edward Burne-Jones und John William Waterhouse.
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