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Siegfried Lenz: Der Mann im Strom

Ein Hamburger RomÄnchen

Was ich gerade lese: "Der Mann im Strom" von Siegfried Lenz

Der Mann im Strom

Ich gebe es zu: Mit Lenz tue ich mich immer ein bisschen schwer. Aber als Hamburgerin gehören Werke dieses Autors ja quasi zur Pflichtlektüre.

Da er vor 10 Jahren verstorben ist, gedenken wir hier in Hamburg seiner mit Büchertischen in den Buchhandlungen und dem Senden der Verfilmungen seiner Werke im NDR.

 

Sein Romänchen (157 Seiten) "Der Mann im Strom" hatte ich bereits vor längerer Zeit gelesen. Hängen geblieben ist bei mir vor allem die düstere Atmosphäre der 50er Jahre und Wortmalereien von der schmuddeligen Hafenstadt Hamburg.

 

Aus aktuellem Anlass habe ich es mal wieder zur Hand genommen.

Kurz zum Inhalt

Der arbeitslose und alleinerziehende Jan Hinrichs lässt das Geburtsdatum in seinem Pass fälschen, um wieder eine Anstellung in seinem Beruf als Taucher zu bekommen. Seine Lage ist prekär. Der Sohn noch klein, die Tochter schwanger und von zu Hause ausgebüxt. Sie stromert mit dem Kindsvater in einer üblen Ecke von Hamburg herum, die von Pennern, Fixern und Kriminellen bevölkert wird.

 

Die perfekte Kombi von gesellschaftlich relevanten Themen – vor allem von „Zu alt für den Arbeitsmarkt“ (jedenfalls damals! Heute sollen wir Boomer ja nach Möglichkeit alle bis 70 arbeiten) – und komplizierter Liebesgeschichte inklusive Milieu-Studie. Dazu viele düster-schmuddelige Beschreibungen der Hamburger Hafenszene in gewohnt Lenz’scher Manier. 

Meine Rezeption

Jo. Alles drin, alles dran: Sozialkritik, Freundschaft, Liebe, Lokalkolorit.

Besonders gelungen finde ich die 50er Jahre Atmosphäre in Hamburg.

 

Allerdings scheint der gute Lenz mit weiblichen Charakteren so seine Schwierigkeit zu haben. Das ist mir schon in anderen seiner Romane aufgefallen.

Eine Hochschwangere, die in letzter Sekunde auf die ablegende Fähre springt und den Fall in das kalte, stinkige und damals garantiert gesundheitsschädliche Elbwasser riskiert? Beim Bismarckdenkmal eine Nacht auf dem kalten Steinboden zwischen Pennern und Fixern verbringt? Und sich nicht wenigstens ein einziges Mal die Hände schützend auf den gewölbten Bauch legt, sodass der Leser im Laufe der 157 Seiten irgendwann daran erinnert wird, dass Lena schwanger ist? Denn da sich die Romanfigur so gar nicht wie eine Schwangere verhält oder bewegt, könnte man das glatt vergessen.

 

Und was ich jedes Mal, wenn ich Lenz lese, wirklich anstrengend finde, obwohl mir als gebürtige Hamburgerin viele Begriffe vertraut sind: ein Haufen Fachvokabular maritimer Natur. Wen bloß wollte der Autor damit beeindrucken? Soll das Fachkompetenz aufzeigen? Oder gute Recherchearbeit? Beides setze ich voraus, wenn man darüber schreibt.

 

Die Verfilmung mit Jan Fedder und Peter Kurth von 2006 hingegen ist vortrefflich gelungen. Selten, dass ich die Verfilmung eines Buches besser finde als das Buch selbst. Hier ist dies definitiv der Fall. Auch wenn der 50er Jahre-Flair dabei abhandengekommen ist.

Ging ja nicht anders, sonst hätte man bereits für die Dreharbeiten die erst 1974 erbaute Köhlbrandbrücke abreißen müssen oder statt an Originalschauplätzen alles im Studio drehen müssen. So aber wirkte alles sehr authentisch.


Und wie stehen Sie zur Lenz'schen Literatur? Teilen Sie es mir gerne mit!

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