Englischer Thriller
Die Chemie des Todes
Diesen Thriller hatte ich letztes Jahr als TV-Serie gesehen und ... enttäuschend gefunden. Die für mein Empfinden ziemlich konstruierte Auflösung stand mir noch vor Augen, als ich das Buch zur Hand nahm.
Ich war neugierig, ob mir das Buch mehr Antworten bieten würde und ob man einen Thriller lesen kann, dessen Auflösung man bereits kennt, ohne ihn langweilig zu finden. Ergebnis: Man kann!
Das Lesen war sogar spannender als die Serie zu schauen. Ich bekam Bilder, die ich meinte noch nie gesehen zu haben. Trotz der 1:1 Handlung konnte ich mich an kein einziges Gesicht oder irgendeine Szene aus der TV-Serie erinnern. Entweder habe ich bereits Alzheimer – was bedeuten würde, dass ich zukünftig keine neuen Bücher oder Filme mehr bräuchte, weil mir bei jedem abermaligen Lesen oder Schauen alles wieder neu vorkäme – oder die Serie war schlecht gemacht/besetzt. Ich hoffe Letzteres.
Zum Inhalt
Im Mittelpunkt dieses Thrillers steht ein Rechtsmediziner, genauer: ein forensischer Anthropologe, der wegen eines persönlichen Schicksalsschlags von London in ein unbedeutendes Kaff der Grafschaft Norfolk zieht, um seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Dort will er eigentlich nur den dortigen Landarzt in dessen Praxis unterstützen. Doch als eine Frauenleiche im Wald entdeckt wird, bittet ihn die Polizei um Mithilfe.
Die Dorfbewohner, die jeden Neuhinzugezogenen ohnehin argwöhnisch beäugen, werden dem neuen Doktor noch misstrauischer gegenüber, als sie erfahren, dass er mit der Polizei zusammenarbeitet. Zumal seine Ermittlungsmethoden außergewöhnlich sind. Er kann aufgrund der Maden, Fliegen, Käfer an der Leiche und unter Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen den Todeszeitpunkt ziemlich genau bestimmen. Ja, es geht um Verwesungsprozesse im menschlichen Körper – um die Chemie des Todes. Der Titel ist Programm, das Thema hochinteressant.
Interessant ist auch das Verhalten der Dorfbewohner, als ihnen bewusst wird, dass der Mörder einer von ihnen sein muss. Wie schnell sich doch ein beschauliches, eher träges Dorf in einen feindseligen Pulk verwandeln kann, wo jeder jedem misstraut und alte Fehden wieder aufbrechen.
Der Pfarrer der Gemeinde – ein verbitterter Fanatiker – tut das seine dazu, um die Dorfgemeinschaft zu spalten. Als er sich nur allzu bereitwillig als Sprecher des Dorfes den Presseleuten zur Verfügung stellt, sieht er seine Stunde gekommen. Auch ein verstaubter misanthropischer Kirchenmann will endlich mal gesehen und gehört werden!
Kurz darauf wird noch eine weitere abartig zugerichtete Frauenleiche gefunden. Die allgemeine Nervosität steigt. Angst und Verdächtigungen zerstören die Dorfgemeinschaft.
Meine Rezeption
Wie es sich für einem anständigen Thriller gehört, lenken die offensichtlich Verdächtigen vom wahren Täter ab, der natürlich jemand ist, den der Leser so gar nicht auf dem Schirm hatte. Und obwohl es bei mir anders war und ich die Figur in Hinblick auf sein kriminelles Handeln von Anfang an im Visier behalten habe, hat er sich tatsächlich durch nichts verraten. Dem Leser können also keinerlei Verdachtsmomente kommen, sodass er am Ende ehrlich überrascht ist.
Zum Glück wurde das Tatmotiv im Buch etwas besser begründet als in der Serie, allerdings eher im Sinne von: Psychopathen gibt es halt überall oder ein Dr. Jekyll und Mr. Hyde stecken schließlich in jedem von uns.
Was das Verhalten unseres Helden in der Krisensituation/ Showdown anbelangt, war dies für einen Wissenschaftler und erfahrenen Forensiker von recht wenig Logik und Gefahrenbewusstsein durchdrungen, sodass ich ab und zu innerlich die Augen verdrehen musste.
Es sind diese ewigen krimitypischen Verhaltensfehler, die wohl der Dramaturgie wegen sein müssen. Sie wissen schon, wenn ein davonlaufendes Opfer vom Täter im Auto verfolgt wird und er stur auf der Straße bleibt, statt in den nächsten Wald abzubiegen oder hinter die nächste Hecke zu springen; minutenlang versucht er den Wettlauf mit einem Auto zu gewinnen.
In diesem Fall hatte der rettende Held in der brenzligsten Situation keinen Handyempfang. Trotzdem bringt er sich und das Opfer in immer größere Gefahr, statt erst einmal Hilfe zu holen und dann einzuschreiten.
Aber was ein waschechter Held ist, der meistert das natürlich ganz alleine. Tja, und damit habe ich bei einem Krimi/Thriller, der Logik, Psychologie und fachliche Kompetenz für sich in Anspruch nimmt, ein klitzekleines Problem.
Ja, ich weiß, man sollte das nicht zu sehr hinterfragen. Schließlich soll man sich ja nur unterhalten lassen.
Von daher: Für zwischendurch durchaus akzeptabel. Aber mehr muss nicht sein.
Falls Sie das Buch auch gelesen haben und etwas anmerken möchten, immer gerne!
Auch für Thrillerempfehlungen bin ich dankbar. Natürlich nur für gute ;-)
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