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Kampf der Generationen oder: Die Macht der Worte

Kampf der Generationen oder: Die Macht der Worte

In meiner 7-bändigen Familiengeschichte "Die Nicolae-Saga" geht es zwangsläufig auch um Generationskonflikte. Diese gab es zu jeder Zeit. Und so hat auch mein Titelheld diesbezüglich Auseinandersetzungen mit seinem Vater und sogar mit einem seiner Vorväter.

Doch was bisher lediglich ein Konflikt war, ist heutzutage gleich ein "Kampf". Jedenfalls wird von Medien gerne einer daraus gemacht. Es muss gerade immer eine Schippe mehr sein.

 

Heute las ich im Hamburger Abendblatt einem Artikel von dem von mir hochgeschätzten Hajo Schumacher. Es ging um „die genervten Generationen“. Er beschrieb darin den „Kulturkampf“ zwischen den Boomern – also den geburtenstarken Jahrgängen, zu denen auch ich gehöre –, und den Generationen X, Y, Z, von deren mittlere (in den 90ern Geborene) ich zwei Exemplare in die Welt gesetzt habe.

 

Vorweg nehmen möchte ich, dass von einem „Kampf“ zwischen uns nicht die Rede sein kann, und auch im Freundeskreis mit ähnlicher Konstellation kann ich keinerlei Kämpfe oder auch nur schwerwiegende Konflikte feststellen – jedenfalls nicht, was gesellschaftspolitische Themen anbelangt.

Im Gegenteil, der IRRSINN (Krieg, Krisen, Klima-Kleber), der bei uns zurzeit grassiert, wird von allen Generationen – auch von der jungen! – so benannt. Nein, ich spüre nichts von einer „kulturellen Kluft“ zwischen unseren Kindern und uns.

 

Der Vorwurf im Artikel lautete: die Boomer hätten sich statt ums Weltklima mehr um Wirtschaftswachstum und Selbstentfaltung gekümmert. Einspruch, Herr Schumacher!

 

Der dieser Tage viel zitierte „Kampf“ ums Klima – haben Sie eigentlich schon bemerkt, wie häufig und selbstverständlich diese martialischen Begriffe in den Medien inzwischen verwendet werden? – ist keine Erfindung der „letzten Generation“. Gerade mit den Boomern kam doch das Umweltbewusstsein erst auf, gründeten sich allerorten Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, WWF, NABU und nicht zuletzt die Umwelt-Partei „Die Grünen“.

Unsere Generation ging noch aus gegebenem Anlass gegen Atomkraft und FÜR DEN FRIEDEN auf die Straße.

 

Schon vergessen? Es herrschte nämlich Krieg, wenn auch zum Glück „nur“ ein kalter.

Die Angst vor einem Atomkrieg war jedoch in aller Köpfe und nahm apokalyptische Ausmaße an, nicht nur in diversen Romanen (Die letzten Kinder von Schewenborn von Gudrun Pausewang) und Filmen (The Day after). So mancher Zeitgenosse baute sich einen Atomschutzbunker im Garten. Ich hatte Albträume.

Daher lautete die Devise: Abrüstung statt Aufrüstung. Auch verbal! Dem Wettrüsten sollte ein Ende gesetzt werden.

 

Heute wird – obwohl bereits ein „heißer Krieg“ tobt – völlig ungeniert nach mehr Panzern geschrien und die Rüstungsindustrie gnadenlos angekurbelt, denn – hurra! – endlich haben wir wieder einen „richtigen Feind“ und dürfen ihn sogar ganz offiziell so benennen. Sorry, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der kalte Krieg in den Köpfen einiger Medienschaffenden, und leider auch vieler Mitbürger, nie aufgehört hat zu existieren und nur darauf gewartet hat, sich wieder erhitzen zu dürfen.

 

Der Zeitgeist erlaubt es sogar, wieder Kriegsvokabular in den Mund zu nehmen, und das ohne dafür geächtet zu werden.

Zu meiner Jugendzeit wäre man öffentlich dafür gelyncht worden – Shitstorms gab es ja noch nicht –, hätte man sich solch propagandistischen und agitatorischen Vokabulars bedient wie dieser Tage manche unserer Medien. Zumindest hätte es heftige Diskussionen ausgelöst. Denn: Am Anfang war das Wort.

Seltsam, ich höre keinen Aufschrei: Wehret den Anfängen! Nirgends. Stattdessen debattiert man um diese lächerlichen Gendersternchen und "reinigt" klassische Kinderbücher von politisch unkorrekten Wörtern.

 

An endloses Wachstum haben wir Boomer – entgegen des Vorwurfs – keineswegs geglaubt. Schon in der Schule wurde diese irrwitzige Wachstumsspirale im Gesellschaftskundeunterricht (so hieß das Fach zu meiner Schulzeit) kritisch hinterfragt und auf Konsumzwang aufmerksam gemacht. Materialistenschwein war ein gängiges Schimpfwort.

 

Klamotten made in Taiwan waren ein No Go – nicht weil sie kein angesagtes Label trugen, sondern weil jeder wusste, dass damit Kinderarbeit und Ausbeutung der Menschen in Entwicklungsländern verbunden war. Stattdessen kamen Dritte-Welt-Läden mit Fair Trade-Produkten auf.

 

Vielleicht bin ich deswegen bisher äußerst bedarfsorientiert und ressourcenschonend durchs Leben gegangen. Ich muss allerdings zugeben, dass nicht jeder in der Schule etwas fürs Leben lernt. Wie sonst sind 99 Cent-Läden zu erklären?

 

Und mal ehrlich: Mehr Selbstentfaltung, als der jetzigen jungen Generation zugebilligt wurde, gibt es wohl kaum.

Abgesehen von jedem neuen Technik-Spielzeug als Must-have: Führerschein mit 17, eigenes Auto unterm Hintern mit 18 und nach einem rauschenden Abi-Ball a la Hollywood erst einmal ein Jahr Auszeit in Neuseeland – die guten alten USA tun’s schon längst nicht mehr.

 

Ja, das ist polemisch. Genau wie diese Gegeneinanderaufhetzung der Generationen!

 

Jede neue Generation wurde und wird mit „Krisen“ konfrontiert und macht vorherrschende Themen zur Chefsache, sobald sie zu selbstdenkenden Geschöpfen werden. Das liegt in der Natur der Sache. Genauso, wie jede Generation meint, das Rad neu erfinden zu müssen.

 

Also bitte: stay calm but alert! 

Bleiben Sie gelassen, aber wachsam! Gleich welcher Generation Sie angehören. 


Inspired by Hajo Schumacher. Mit Dank.