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Unvergessliche Lesungen der letzten 10 Jahre-Teil 1

Die 3 aufregendsten Lesungen

Komponist Maximilian J. Zemke und Autorin Aurelia L. Porter bei einem Auftritt im Theaterclub Hamburg

Neulich wurde ich gefragt, welche meine bisher schönste Lesung war. Puh, das konnte ich so auf Anhieb gar nicht beantworten, denn es gibt gleich mehrere Lesungen, die ich auf keinen Fall missen möchte. Sie sind so unterschiedlicher Art, dass sie nicht miteinander zu vergleichen sind.

Da ich mir daraufhin die Lesungen der letzten 10 Jahre in Erinnerung gerufen habe, kam mir der Gedanke, von den drei aufregendsten und den drei schönsten Lesungen zu erzählen – und ja, auch von den drei schlimmsten, denn so etwas gab es natürlich auch.

Sind LEsungen für Autoren wichtig?

Das ist eine Frage, die sich vorab stellt. Und darauf gibt es für mich nur eine Antwort: Auf jeden Fall!

Für etablierte Autoren, die mit ihren Auftritten Geld verdienen, sowieso. Aber auch für Neuautoren sind sie eine unschätzbare Erfahrung.

Jedenfalls wenn es sich um „echte“ Lesungen handelt, bei denen man Menschen aus Fleisch und Blut gegenübersitzt, die unmittelbar auf das Gehörte reagieren. Besser und direkter kann man die Wirkung des eigenen Textes gar nicht ermitteln.

Darum wäre es empfehlenswert, noch  v o r  der Veröffentlichung eine Lesung zu veranstalten. Die unmittelbare Reaktion des gesamten Publikums auf eine einzelne Textpassage ist um so viel aussagekräftiger als jede nachträglich verfasste Rückmeldung. Der Autor spürt nämlich sofort, wie sein Text bei der Mehrheit ankommt, und zwar ungefiltert – also ehrlich!

 

Die allererste LEsung

Zwar genießt man bei einer solchen zumeist Heimvorteil, weil man sie tunlichst in vertrauter Umgebung und vor einer mehr oder weniger bekannten Zuhörerschaft hält. Aber sie ist nichtsdestotrotz eine furchtbar aufregende Angelegenheit, selbst wenn man sich noch so gut darauf vorbereitet.

 

Das hatte ich getan, und darum viel zu viel über mögliche Stolpersteine gelesen und was bei einer Lesung alles schiefgehen kann. Von einem bekannten Autor kam der gut gemeinte Warnhinweis, dass die Aufmerksamkeitsspanne eines Erwachsenen nicht länger als 15 Minuten betrage – bestenfalls 20, spätestens dann müsse eine Pause erfolgen. Außerdem müsse man mit schurrenden Füßen, knisterndem Bonbonpapier, laut ausströmendem Atem, Räuspern, Hüsteln und Gemurmel rechnen. Es gehöre nun einmal dazu, man solle sich davon jedoch nicht verunsichern lassen.

 

Habe ich auch nicht. Jedenfalls nicht davon. Dafür aber von der unheimlichen Stille, die sich im Raum ausgebreitet hatte. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

Genau das brachte mich ins Schwitzen, war ich doch auf das Gegenteil gefasst gewesen: Oje, waren die Leute womöglich schon eingeschlafen oder mit ihren Gedanken ganz woanders vor lauter Langeweile?

Als ich aufblickte, sah ich zu meinem Schrecken in lauter erstarrte Gesichter und fühlte mich in meiner Annahme bestätigt. Augen zu und durch!, sagte ich mir, es nützt ja nichts, einfach bis zum Ende durchhalten und abliefern so gut es geht.

 

Tja, aber als ich dann fertig war – nach einer ganzen Stunde OHNE Pause, wohlgemerkt –, kam noch immer keine Reaktion.

Wo blieb das erleichterte Aufatmen? Wo das erste Räuspern oder Stühleschurren?

Keiner rührte sich, wie angewurzelt saßen sie auf ihren Plätzen, mit völlig abwesenden Blicken.

Die Stille wurde mir unerträglich, und so fragte ich nach einer Weile ziemlich verzagt, warum denn keiner etwas sage?

Erst da schienen sie wieder Luft zu holen und allmählich in den Raum zurückzukehren.

 

Was war geschehen?

In meiner Unerfahrenheit – und mit den Warnhinweisen im Hinterkopf – hatte ich die Reaktion der Zuhörer völlig falsch gedeutet. Ja, sie waren tatsächlich mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen, nämlich bei meiner Geschichte! Und sie saßen wie gebannt, weil sie mir an den Lippen gehangen hatten. Nur damit hatte ich so gar nicht gerechnet!

Hätte es ein schöneres Kompliment geben können, und das gleich bei der allerersten Lesung?

 

Leider gibt es keine Fotos von der Premiere. Denn an so etwas hatte ich vor lauter Aufregung überhaupt nicht gedacht.

 

Lesung in Rumänien

Am Handlungsort des eigenen Romans lesen zu dürfen, zumal wenn dieser im Ausland liegt, ist natürlich ein ganz besonderes Erlebnis. 2014 hatte ich das Glück, im siebenbürgischen Hermannstadt (rumänisch: Sibiu) aus meinem frisch veröffentlichten Band 3 der Nicolae-Saga zu lesen. Dort besucht nämlich mein Titelheld von 1871 an die Schule.

Das Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium (Name seit 1921) gibt es noch heute, es steht direkt gegenüber der mächtigen Stadtpfarrkirche am Huetplatz mit dem Wiener Cafe gleich um die Ecke. Etliche Hermannstädter Straßen und Plätze – sowie die legendäre Lügenbrücke – finden in „Nicolae–Jenseits der Wälder“ Erwähnung, oder sind zumindest so beschrieben, dass mit dieser Stadt vertraute Leser sie wiedererkennen.  

Lesung im Erasmus-Buechercafe in Hermannstadt (Sibiu), Rumänien

Im Vorwege hatte ich mit der dortigen Schiller-Buchhandlung Kontakt aufgenommen, zu der das Erasmus Büchercafé gehört. Der Inhaber Jens Kielhorn lud mich prompt zu einer Lesung ein.

Als ich am Abend zuvor in der Stadt ankam, staunte ich nicht schlecht, dass auf Plakaten meine Lesung groß angekündigt war und zudem alle drei Bände der Nicolae-Saga im Schaufenster der Buchhandlung ausgelegt waren. Von solch einem Empfang, ohne großes Zutun, kann man bei uns – hier im Norden Deutschlands – nur träumen.

 

Auch war "ein Aufgebot" von Journalisten aktiviert worden, darunter eine Dame von Radio Bukarest – schluck! Ich war damals noch nicht sehr versiert im Umgang mit der Presse, insofern war ich darüber mehr erschreckt als begeistert. Und ja, gleich nach der Lesung ging es zum Interview mit Life-Aufnahme fürs Radio – HILFE!

Aber es ging alles gut, die Dame war sehr einfühlsam und hat es geschafft, eine Menge aus mir herauszukitzeln. Leider existiert der Mitschnitt nach so vielen Jahren nicht mehr. Aber das ist vielleicht auch besser so.

Ein weiteres Interview fand mit der Redaktionschefin der Hermannstädter Zeitung statt. Sie hatte mir noch vor der Lesung – als Gastgeschenk! – zwei Bücher überreicht, geschrieben von einer Tochter und einem Sohn der Stadt. Wie nett ist das denn?

Es war das volle Verwöhnprogramm.

 

Obendrein gab es ein lustiges Erlebnis mit dem Publikum. Denn darunter saß eine kleine Reisegruppe aus Deutschland, um genau zu sein: aus Hamburg! Da war ich so viele Kilometer nach Rumänien geflogen, um vor meinen eigenen Landsleuten zu lesen. Aber auch ansonsten war die Lesung erstaunlich gut besucht. Die Zuhörerschaft war überaus interessiert und die anschließende Fragerunde sehr lebendig.

 

Ein im wahrsten Sinne des Wortes aufregender Abend, der mir unvergesslich bleiben wird.

 

Lesung auf der Theaterbühne

Ein besonderes Highlight war ein Bühnenauftritt im Hamburger Theaterclub. (Leider gibt es diesen in dieser Form nicht mehr. Und auch der Initiator, Musiker und Kabarettist, kurz: die Seele des Ganzen namens Jan Jahn hat sich längst aus der Kleinkunstbranche zurückgezogen - sehr sehr schade.)

 

Vor so viel Publikum zu lesen brachte tüchtig Lampenfieber mit sich. Als dann aber der Vorhang aufging, war ich nur noch auf die Klänge des Konzertflügels konzentriert, an dem mein Sohn saß und mich begleitete. Die eigens von ihm für diesen Auftritt komponierte Musik versetzte mich sofort in die Stimmung der zu lesenden Szene.

„Zeilenklang“ so lautete unser Programm, zu dem Maximilian (Komponist und Musikproduzent) sogar eine CD mit eingelesenen Texten und der dazu komponierten Musik erstellt hatte.

Zusätzlich hatte er einen Lesepart übernommen, sodass wir quasi eine szenische Lesung haben bieten können.

 

Es war anfangs etwas seltsam, mit dem Publikum diesmal nicht in Augenkontakt zu stehen, denn das Zuschauerparkett lag ja ganz im Dunkeln. Dafür war die aufkommende Atmosphäre umso spürbarer.

 

 

Passend zur mystischen Stimmung wurde eine Nebelmaschine angeworfen und hüllte uns in wabernde Schleier. Perfekt!

 

Obwohl es ein vergleichsweise kurzer Auftritt war, war es eine unfassbar intensive Erfahrung. Das Schönste aber war, dass bei uns beiden alles bestens geklappt hatte. Denn ja, natürlich war auch mein Sohn aufgeregt gewesen, vor so viel Publikum live zu spielen.

An die gespannte Stille im Publikum war ich bis dahin längst gewöhnt und konnte den Applaus so richtig genießen.

 


>> 2. Teil dieser Serie: Meine 3 schlimmsten Lesungen. Denn auch solche wollen erzählt sein.

>> 3. Teil dieser Serie: Meine 3 schönsten Lesungen. Denn das Beste kommt zum Schluss. (erscheint demnächst!)